Gynäkologie

Eine geplante Geburt: nicht zu früh!

Gut Ding braucht Weile.
Eine künstliche Einleitung der
Geburt sollte nicht zu früh
erfolgen.

Wenn das Baby auf sich warten lässt oder es aus medizinischen Gründen notwendig ist, die Schwangerschaft abzukürzen, kann die Geburt künstlich eingeleitet werden. Das passiert entweder mit Hormonen, die Wehen auslösen, oder im Operationssaal mit Kaiserschnitt. Manchmal wird die Geburt jedoch auch künstlich beschleunigt, weil die Eltern es sich wünschen, etwa aus Termingründen oder weil die Schwangerschaft für die Frau belastend ist.

Keine künstliche Einleitung der Geburt vor der 39. Schwangerschaftswoche, außer wenn die Gesundheit von Mutter oder Kind in Gefahr ist.

Sollte es nicht zwingend notwendig sein, wird von einer Einleitung der Geburt vor der 39. Schwangerschaftswoche abgeraten. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Neugeborene, die so früh zur Welt kommen, häufiger Atemnot haben und auf der Intensivstation behandelt werden müssen. Todesfälle bei Neugeborenen sind zwar äußerst selten, bei Kindern, die vor der 39. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen, scheinen sie jedoch geringfügig öfter vorzukommen. Das höhere Risiko für Komplikationen gilt auch für Kinder, deren Lunge ausgereift ist und die körperlich für die Geburt bereit wären. Wenn möglich sollte deshalb mindestens bis zur 39. Schwangerschaftswoche abgewartet werden, bevor über eine künstliche Einleitung der Geburt nachgedacht wird.

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Kein frühzeitiges Einleiten der Geburt ohne medizinischen Grund

Wenn der Tag der Geburt näher rückt, können es viele Frauen nicht mehr erwarten. Der Bauch wird immer größer, das Atmen schwerer, Beschwerden wie Sodbrennen nehmen zu. Und irgendwann kommt bei fast jeder Frau der Moment, in dem sie denkt: „Wann ist es endlich vorbei? Wann kann ich mein Baby in den Arm nehmen?“ Es ist möglich, eine Schwangerschaft abzukürzen, und zwar durch künstliches Auslösen der Wehen oder einen Kaiserschnitt. Manchmal passiert das auf Wunsch der Eltern. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manchmal ist die körperliche oder psychische Belastung am Ende der Schwangerschaft für eine Frau nicht mehr tragbar, manchmal wird ein früherer Geburtstermin bevorzugt, weil er besser mit Alltag oder Berufsleben vereinbar ist (1). Vor der 39. Schwangerschaftswoche wird von einer frühzeitigen Einleitung einer Geburt jedoch abgeraten, außer es ist aus medizinischen Gründen notwendig (2). Eine Einleitung der Geburt ist sinnvoll, wenn der Geburtstermin bereits überschritten wurde und die Wehen dennoch nicht einsetzen wollen, oder wenn Gefahr für das Kind oder seine Mutter besteht (3).

Verläuft die Schwangerschaft normal, ist es besser zuzuwarten und dem Kind genügend Zeit zu geben, bis die Wehen von selbst einsetzen. Eine frühzeitige Geburt aufgrund von Terminpräferenzen der Eltern oder wegen psychischer oder körperlicher Belastung gegen Ende der Schwangerschaft sollte wenn möglich vermieden werden.

Einleiten der Geburt: Wie geht das?

Im Durchschnitt kommen Kinder zwischen der 37. und der 42. Schwangerschaftswoche zur Welt, die meisten um den berechneten Geburtstermin oder danach (4). Wenn ein Kind ohne technische Hilfsmittel auf die Welt kommt, spricht man von einer „Spontangeburt“.

In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl der Neugeborenen, die in der 37. oder 38. Schwangerschaftswoche geboren wurden, aber weltweit zugenommen (5). Wenn die Geburt zwischen der 36. und der 39. Schwangerschaftswoche eingeleitet wird, spricht man von „frühzeitig“ (2).

In Österreich kommen etwa ein Drittel aller Kinder vor der 39. Schwangerschaftswoche zur Welt – aus medizinischer Notwendigkeit oder aber auf Wunsch der Eltern (6).

Es gibt zwei Möglichkeiten, die Schwangerschaft zu verkürzen und die Geburt zu beschleunigen: einerseits durch die Einleitung der Geburt mit einem Medikament. Dazu wird der Frau ein natürliches, Wehen auslösendes Hormon verabreicht (3). Andererseits kann die Geburt durch einen geplanten operativen Eingriff – einen Kaiserschnitt – vorverlegt werden. Dabei wir das Kind durch einen Schnitt in Bauchdecke und Gebärmutter entbunden. Die Zahl der künstlich eingeleiteten Geburten wird weltweit häufiger, und auch die Zahl der Kaiserschnitte nimmt zu (7).

Im Jahr 2018 wurden etwa 30 von 100 Kinder in Österreich mit einem Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Ähnlich hoch ist die Zahl in Deutschland (8). Daten aus Deutschland zeigen, dass 12 von 100 Kaiserschnitten aus medizinischer Sicht nicht notwendig gewesen wären. In den meisten Fällen waren hier psychische Ursachen wie Stress oder Angst vor der Geburt der Grund für den Kaiserschnitt.

Frühe Geburt: ein leicht erhöhtes Risiko für das Neugeborene

Sofern es medizinisch nicht notwendig ist – etwa, weil die Gesundheit von Mutter oder Kind bedroht ist –, bringt es jedoch eher Nachteile für die Kinder, vor der 39. Schwangerschaftswoche entbunden zu werden (9–12). Studien zeigen: Babys, die nach der 39. Schwangerschaftswoche geboren werden, haben seltener Atemnot und müssen weniger oft beatmet werden. Ihr, auf der Intensivstation behandelt werden zu müssen, ist geringer, wenn zugewartet wird. Und auch die Zahl der Todesfälle unter Neugeborenen – generell inzwischen ausgesprochen selten –, ist wahrscheinlich niedriger.

Gut zu wissen:

Auch wenn ihre Lunge fertig ausgereift ist und die Kinder körperlich bereit zu sein scheinen, haben Neugeborene, die vor der 39. Schwangerschaftswoche geboren werden, schlechtere Karten als Babys, die später zur Welt kommen. Das zeigte eine Studie mit fast 14.000 Neugeborenen von Frauen mit unkomplizierten Schwangerschaften. Die Mehrzahl der Kinder wurde in der 39. oder 40. Schwangerschaftswoche geboren (12). Von 100 Babys, die früher entbunden wurden, mussten 6 auf der Intensivstation behandelt werden. Bei Kindern, die in der 39. oder 40. Schwangerschaftswoche auf die Welt kamen, kamen nur 2 von 100 auf die Intensivstation.

19 Kliniken lieferten außerdem Daten von Frauen mit mehr als 16.000 geplanten Kaiserschnitten: Bei Geburten in der 37. Schwangerschaftswoche kamen rund 15 von 100 Neugeborenen per Kaiserschnitt zur Welt (9). Bei Geburten in der 38. Schwangerschaftswoche waren es 11 von 100 Neugeborenen, nach Abschluss der 39. Schwangerschaftswoche nur noch 8 von 100. Die Daten deuten darauf hin, dass das Risiko für unerwünschte Ereignisse oder Todesfälle abnimmt, je näher am errechneten Geburtstermin ein Kind zur Welt kommt.

Fazit:

Vor der 39. Schwangerschaftswoche soll eine Geburt nicht künstlich eingeleitet werden, außer es ist aus medizinischen Gründen notwendig. Denn Neugeborene, die vor der 39. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen, haben ein höheres Risiko für Komplikationen während und nach der Geburt und müssen öfter auf einer Intensivstation behandelt werden. Todesfälle bei Neugeborenen sind bei unkomplizierten Schwangerschaften generell sehr selten. Aber auch sie kommen geringfügig öfter vor, wenn zu früh entbunden wird.

Quellen:

1.            Loftin RW, Habli M, Snyder CC, Cormier CM, Lewis DF, Defranco EA. Late preterm birth. Reviews in obstetrics & gynecology. 2010;3(1):10-9.

2.            DynaMed. Labor Induction2018. Available from: https://www.dynamed.com/topics/dmp~AN~T115335. Registration and login required.

3.            Martin JA, Hamilton BE, Osterman MJK, Driscoll AK. Births: Final Data for 2018. National vital statistics reports : from the Centers for Disease Control and Prevention, National Center for Health Statistics, National Vital Statistics System. 2019;68(13):1-47.

4.            Institute for Quality and Efficiency in Health Care (IQWiG). Pregnancy and birth: When your baby’s due date has passed 2006. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK279571/.

5.            Blencowe H, Cousens S, Oestergaard MZ, Chou D, Moller AB, Narwal R, et al. National, regional, and worldwide estimates of preterm birth rates in the year 2010 with time trends since 1990 for selected countries: a systematic analysis and implications. Lancet (London, England). 2012;379(9832):2162-72.

6.            Davidoff MJ, Dias T, Damus K, Russell R, Bettegowda VR, Dolan S, et al. Changes in the gestational age distribution among U.S. singleton births: impact on rates of late preterm birth, 1992 to 2002. Seminars in perinatology. 2006;30(1):8-15.

7.            Main E, Oshiro B, Chagolla B, Bingham D, Dang-Kilduff L, Kowalewski L. Elimination of Nonmedically Indicated (Elective) Deliveries Before 39 Weeks Gestational Age. (California Maternal

Quality Care Collaborative Toolkit to Transform Maternity Care) 2010. Available from: https://www.cmqcc.org/resource/1643/download.

8.            Tita AT, Landon MB, Spong CY, Lai Y, Leveno KJ, Varner MW, et al. Timing of elective repeat cesarean delivery at term and neonatal outcomes. The New England journal of medicine. 2009;360(2):111-20.

9.            ACOG Committee Opinion No. 765: Avoidance of Nonmedically Indicated Early-Term Deliveries and Associated Neonatal Morbidities. Obstetrics and gynecology. 2019;133(2):e156-e63.

10.          Reddy UM, Ko CW, Raju TN, Willinger M. Delivery indications at late-preterm gestations and infant mortality rates in the United States. Pediatrics. 2009;124(1):234-40.

11.       Bates E, Rouse DJ, Mann ML, Chapman V, Carlo WA, Tita AT. Neonatal outcomes after demonstrated fetal lung maturity before 39 weeks of gestation.

Ausgewählt von

 

Die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe entwickelt Empfehlungen und Leitlinien und fördert die Forschung, Aus-und Weiterbildung im Fachgebiet, um Frauen in ihrer geschlechtsspezifischen Gesundheit bestmöglich zu behandeln.