Geriatrie

Früherkennungsuntersuchungen

99 und mitten im Leben?
Auch Tests haben Risiken,
vor allem im Alter.

Mammographie, Darmspiegelung, Prostatauntersuchung: Früherkennungsuntersuchungen sollen Tumore rechtzeitig entdecken und so die Lebenserwartung erhöhen. Eine Frage sollten sich Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzte aber gleichermaßen stellen: Sind sie in jedem Fall sinnvoll? Stehen die Belastung und das Risiko von Komplikationen in Relation zum Nutzen, den wir uns davon erwarten?

Früherkennungsuntersuchungen haben Risiken.

Immer Vor-und Nachteile abwägen-besonders in der Geriatrie!

Untersuchungen haben Risiken, belasten den Körper mit Strahlung, können falsche Ergebnisse liefern und die Betroffenen verunsichern. In manchen Fällen werden auch Tumore behandelt, obwohl diese nie zu Beschwerden geführt hätten. Besonders bei alten Menschen sollte die Lebensqualität
ein ebenso wichtiges Ziel wie die Lebensverlängerung sein. Lebt eine 80-jährige Frau durch die Entdeckung eines Tumors in der Brust besser oder länger? Wird sie von einer Operation profitieren? Vorrang sollten natürlich immer die Wünsche der Patientinnen und Patienten haben. Doch Ärztinnen und Ärzte sollten sich bewusst sein, dass auch Untersuchungen Risiken bergen. Es gilt, Vor- und Nachteile in jedem einzelnen Fall sorgfältig abzuwägen.

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Nutzen und Risiko von Früherkennungsuntersuchungen hinterfragen

Früherkennungsuntersuchungen, auch Screening-Untersuchungen genannt, haben zum Ziel, Tumore früh, in einem heilbaren Stadium, zu erkennen und so die Lebenserwartung zu erhöhen. Die Mammographie, die Darmspiegelung oder die Prostatauntersuchung gehören dazu. Gerade langsam entstehende Tumoren wie der Dickdarmkrebs können so rechtzeitig entdeckt werden. Eine Frage sollten sich Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzte aber gleichermaßen stellen: Ist so eine Untersuchung in jedem Fall sinnvoll? Stehen die psychische und körperliche Belastung und das Risiko von Komplikationen in Relation zum Nutzen, den wir uns vom Screening erwarten?

Mit Maß und Ziel

Untersuchungen haben Risiken. Sie belasten den Körper mit Strahlung oder Narkosemitteln. Sie können verunsichern, wenn sie falsche Ergebnisse liefern und krankhafte Auffälligkeiten zeigen, wo keine sind. Manchmal folgen auf solche sogenannten „falsch positiven“ Ergebnisse auch unnötige Biopsien und Operationen – bei manchen dieser Untersuchungen kommt das sogar relativ häufig vor (siehe Gut zu wissen). Im Zuge der Krebs-Früherkennungsuntersuchungen werden auch Tumore entdeckt und behandelt, die vielleicht nie zu Beschwerden geführt hätten.

Lebensqualität geht vor

Besonders bei alten Menschen sollte die Lebensqualität ein ebenso wichtiges Ziel sein wie die Lebensverlängerung. Lebt eine 80-jährige Frau durch die Entdeckung eines Tumors in der Brust besser oder länger? Wird sie von einer Operation profitieren? Vorrang sollten natürlich immer die Wünsche der Patientinnen und Patienten haben; doch Ärztinnen und Ärzten sollte bewusst sein, dass auch Untersuchungen Risiken bergen. Es gilt Vor- und Nachteile in jedem einzelnen Fall sorgfältig abzuwägen.

Gut zu wissen:

Prostatakrebsfrüherkennung:

Eine große wissenschaftliche Studie über 13 Jahre hinweg hat gezeigt: Mit Früherkennungsuntersuchung starben pro Jahr 4 von 10.000 Männern am Prostatakrebs selbst, ohne Früherkennungsuntersuchung waren es 5 von 10.000. Wenn man alle Todesursachen berücksichtigt verstarben pro Jahr aber gleich viele Männer (19 pro 1.000), egal, ob sie untersucht wurden oder nicht (Schröder u.a. 2014). Den PSA-Wert zu bestimmen, obwohl die Betroffenen keine Beschwerden hatten, konnte also das Risiko zu versterben unterm Schnitt nicht senken. In der Gruppe der Männer über 70 starben trotz Früherkennungsuntersuchung in etwa gleich viele an Prostatakrebs wie ohne Untersuchung. Andere Studien zeigen: Bei etwa 160 von 1.000 Männern liefern die Tastuntersuchung der Prostata und eine Messung des PSA-Wertes ein auffälliges Ergebnis trotz gesunder Prostata, mit nachfolgender unnötiger Biopsie. Auch 20 Männer mit nicht fortschreitendem Tumor werden behandelt.

Brustkrebsfrüherkennung:

Bei Teilnahme an einem Brustkrebsfrüherkennungsprogramm versterben während elf Jahren 4 von 1.000 Frauen über 50 an Brustkrebs, ohne Untersuchung sind es 5 von 1.000. Mammographien zeigen bei 100 von 1.000 Frauen über 50 Jahren Auffälligkeiten, wo gar keine sind. 5 von 1.000 Frauen werden aufgrund eines Tumors operiert, der keine Beschwerden verursacht hätte.

Darmkrebsfrüherkennung:

Von 1.000 Frauen im Alter von 65 Jahren, die eine Darmspiegelung hatten, versterben innerhalb von zehn Jahren 2 bis 4 Frauen an Darmkrebs. Ohne Untersuchung sind es 5 von 1.000 Frauen. Bei Männern versterben mit Darmspiegelung 3 bis 6 von 1.000 Untersuchten innerhalb von zehn Jahren, ohne Darmspiegelung sind es 9 von 1.000 Männern. Bei 2 bis 3 von 1.000 Darmspiegelungen treten Komplikationen auf.

Fazit: Auch Vorsorgeuntersuchungen haben Risiken und können belastend sein, besonders für alte Menschen. Vor- und Nachteile abzuwägen und individuell zu entscheiden, ist besonders in der Geriatrie wichtig.

Originalempfehlungen und Quellen:

American Geriatrics Society

[http://www.choosingwisely.org/wp-content/uploads/2015/01/Choosing-Wisely-Recommendations.pdf]

Society of General Internal Medicine

[http://www.choosingwisely.org/wp-content/uploads/2015/01/Choosing-Wisely-Recommendations.pdf]

American College of Surgeons

[http://www.choosingwisely.org/wp-content/uploads/2015/01/Choosing-Wisely-Recommendations.pdf]

American Society of Clinical Oncology

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https://www.gesundheitsinformation.de/die-grosse-darmspiegelung-informationen-fuer.2069.de.html?part=frueherkennung-nw; accessed 18.7.2018

https://www.gesundheitsinformation.de/die-grosse-darmspiegelung-informationen-fuer.2069.de.html?part=frueherkennung-7p; accessed 18.7.2018

https://www.harding-center.mpg.de/de/faktenboxen/krebsfrueherkennung/brustkrebs-frueherkennung, accessed 18.7.2018

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Schröder FH, Hugosson J, Roobol MJ et al. Screening and prostate cancer mortality: results of the European Randomised Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) at 13 years of follow-up. Lancet, 2014; doi: 10.1016/S0140-6736(14)60525-0

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Die Österreichische Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG) vertritt die Interessen der multimorbiden und vulnerablen älteren Menschen und Ihrer Angehörigen. Weiters fördert die ÖGGG Forschung und Lehre über das Altern und verbreitet aktuelle geriatrische und gerontologische Erkenntnisse.