Vorsorgeuntersuchung

Keine Früherkennungsuntersuchung der Nierenfunktion ohne Risikofaktoren

Leisten die Nieren gute
Arbeit, können Sie sich
Tests meist sparen.

Stand: August 2020

Unsere Nieren filtern Abfallstoffe aus dem Blut und regulieren den Wasser-und Mineralstoffhaushalt des Körpers. Wenn der Filter der Nieren nicht
mehr richtig funktioniert, spricht man von einer chronische Nierenerkrankung oder auch Niereninsuffizienz. Da sie lange keine Beschwerden verursacht, bleibt eine Schädigung der Nieren häufig unbemerkt. Die Nierenerkrankung kann dann so weit fortschreiten, dass eine regelmäßige Dialyse oder „Blutwäsche“ notwendig wird.

Früherkennungsuntersuchungen der Nieren sind nur sinnvoll, wenn Ihr persönliches Risiko erhöht ist.

Chronische Nierenerkrankungen betreffen häufig ältere Menschen. Grund für die Schädigung der Nieren sind oft andere Erkrankungen, wie Diabetes und Bluthochdruck. Diese Erkrankungen gehören zu den Risikofaktoren für Nierenerkrankungen. Es ist wichtig, sie zu behandeln, um weitere Schäden zu verhindern. Für Personen mit Risikofaktoren gilt daher: Je früher eine Nierenerkrankung entdeckt wird, umso besser. Es gibt jedoch keine Belege dafür, dass Menschen ohne Risikofaktoren von einer Früherkennung profitieren. Denn perfekte Tests gibt es nicht: Man weiß, dass durch diese Untersuchungen auch viele gesunde Menschen fälschlich die Diagnose „chronische Nierenerkrankung“ erhalten. Das könnte zu nicht notwendigen weiteren Untersuchungen führen oder zu einer Behandlung mit Medikamenten, die nicht nützen und sogar schaden.

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Wenn der Filter Löcher hat

Unsere Nieren erfüllen wichtige Aufgaben. Sie reinigen unser Blut, indem sie Abfallstoffe herausfiltern und sie über den Harn ausscheiden. Außerdem regulieren sie den Salz- und Wasserhaushalt im Körper. Ebenso regulieren sie die Menge an lebenswichtigen Mineralstoffen, wie Natrium, Kalium, Kalzium oder Phosphor.

Bei einer chronischen Nierenerkrankung können die Nieren das Blut nicht mehr so filtern, wie sie es sollten. Mit dem Harn gehen dann Stoffe verloren, die der Körper dringend braucht. Andere Stoffe werden nicht ausgeschieden, obwohl sie für den Körper auf Dauer giftig sind. Man spricht auch von chronischer Niereninsuffizienz. Chronisch bedeutet, dass die Schädigung der Nieren langsam und über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgt.

Das Nachlassen der Nierenfunktion verursacht zunächst keine Beschwerden und bleibt oft lange Zeit unbemerkt. Eine chronische Nierenerkrankung macht sich meistens erst bemerkbar, wenn der Schaden schon ein gewisses Ausmaß erreicht hat.  Zu den möglichen Symptomen zählen Schwellungen an den Beinen oder im Gesicht. Durch Wasseransammlungen in der Lunge kann es zu Atemnot kommen. Aber auch andere, weniger eindeutige Beschwerden sind möglich, wie Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen.

Woran erkennt man, ob die Niere ordentlich arbeitet?

Während der normalen biologischen Vorgänge in unserem Körper entstehen laufend Abfallprodukte. Sie müssen ausgeschieden werden, weil sie dem Körper auf Dauer schaden. Ist die Niere geschädigt, sammeln sich diese Abfallprodukte im Blut an. Das kann man durch eine Blutuntersuchung im Labor nachweisen. Um zu messen, wie gut die Niere arbeitet, kann das Labor zum Beispiel die Filterleistung, die Glomeruläre Filtrationsrate oder kurz GFR, bestimmen. Dabei wird mit einer Rechenformel geschätzt, wie schnell Abfallprodukte aus dem Blut über die Niere ausgeschieden werden.

Gesunde Nieren sorgen dafür, dass nur geringe Mengen an Eiweiß in den Harn gelangen. Eine geschädigte Niere hingegen ist wie ein löchriger Filter. In diesem Fall landen viele und große Eiweißstoffe im Harn, wie zum Beispiel der Eiweißstoff Albumin. Eine andere Untersuchungsmethode ist deshalb die Bestimmung von Eiweiß im Harn (Albumin-Kreatinin-Quotient).

Je nachdem, wie stark die Filterleistung eingeschränkt und wieviel Eiweiß im Harn zu finden ist, wird die Schwere der Erkrankung in fünf Stadien eingeteilt. In Stadium 1 können geringe Mengen Eiweiß im Harn auftreten, die Filterleistung ist aber noch ausreichend. Mit zunehmenden Stadien nimmt die Filterleistung der Niere immer mehr ab. Im Stadium 5 spricht man von einer Nierenschwäche (Niereninsuffizienz) im Endstadium oder auch „terminalem Nierenversagen“. Die Reinigung des Blutes muss dann von einer Maschine übernommen werden (Dialyse). Im Volksmund wird die Dialyse auch „Blutwäsche“ genannt. Alternativ besteht die Möglichkeit der Transplantation von gesunden Nieren.

Wer ist gefährdet?

Manche Menschen haben ein besonders hohes Risiko für Nierenerkrankungen, weil sie bestimmte andere gesundheitliche Probleme haben. Vor allem Diabetes und Bluthochdruck können die Nieren schädigen. Das Risiko, eine chronische Nierenerkrankung zu entwickeln, ist außerdem erhöht bei Übergewicht oder bei Nierenerkrankungen in der Familie. Auch das Alter spielt eine Rolle. Von chronischen Nierenerkrankungen sind besonders ältere Menschen betroffen.

Alle Umstände, die das Erkrankungsrisiko erhöhen, nennt man Risikofaktoren.

Keine Früherkennungsuntersuchung ohne Risikofaktoren

Wenn Sie keine dieser Risikofaktoren für eine chronische Nierenerkrankung haben, ist ein Früherkennungstest nicht sinnvoll. Denn die Wahrscheinlichkeit, in Zukunft eine chronische Nierenerkrankung zu entwickeln, ist bei Personen ohne Risikofaktoren gering.

Es wurde wissenschaftlich noch nicht untersucht, ob eine Früherkennungsuntersuchung der Nieren generell Vorteile bringt. Sicher ist aber: Kein Test ist perfekt. Bei einer breit angelegten Früherkennungsuntersuchung würden deshalb viele Personen die Diagnose „chronische Nierenerkrankung“ erhalten, obwohl sie nicht daran leiden. Das könnte zu einer Behandlung mit Medikamenten führen, die nicht nützen oder im schlimmsten Fall sogar schaden.

Bei erhöhtem Risiko ist Früherkennung sinnvoll

Eine Früherkennungsuntersuchung der Nieren ist dann sinnvoll, wenn Sie über 40 Jahren alt sind und Ihr persönliches Risiko für Nierenerkrankungen erhöht ist. Durch die Früherkennung ist es möglich, eine Behandlung zu beginnen, noch bevor die ersten Beschwerden entstehen.

Das Ziel solcher Behandlungen: Das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen. Wichtig ist, jene Krankheiten, die der Schädigung zugrunde liegen, bestmöglich zu behandeln. Bluthochdruck etwa kann mit Medikamenten gesenkt und hoher Blutzucker auf Normalwerte eingestellt werden. Menschen mit Übergewicht (Body Mass Index > 30 kg/m2) wird geraten, Gewicht zu verlieren.

Bei Menschen über 40 Jahre, bei denen Risikofaktoren vorliegen, kann eine Früherkennungsuntersuchung also sinnvoll sein. Es ist zwar unklar, ob eine Früherkennung Menschen mit Nierenschädigung tatsächlich zu einem besseren Krankheitsverlauf verhilft – Studien dazu fehlen bisher. Sie wird für Personen mit erhöhtem Risiko für Nierenerkrankungen jedoch empfohlen, weil dann auch Risikofaktoren wie Blutdruck und Diabetes behandelt werden können. In diesen Fällen gilt: Je früher behandelt wird, desto besser.

Gut zu wissen:

In Europa haben 18 Prozent der Bevölkerung eine chronische Nierenerkrankung, wenn alle Stadien der Erkrankung (1 bis 5) berücksichtigt werden. Zahlen aus Großbritannien zeigen, dass 8,5 Prozent der Bevölkerung an einer chronischen Nierenerkrankung im Stadium 3 bis 5 leiden. Es sind mehr Frauen betroffen als Männer (11verglichen mit 6 Prozent).

Wie verlässlich ist die Früherkennungsuntersuchung?

Um eine Nierenerkrankung im Rahmen eines Früherkennungsprogrammes zu entdecken, errechnen Ärztinnen und Ärzte die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) oder den Albumin-Kreatinin-Quotienten. Für die Schätzung der GFR wird Blut abgenommen, für den Albumin-Kreatinin-Quotienten wird der Harn untersucht.

Wenn 8,5 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher von einer chronischen Nierenerkrankung betroffen sind, werden diese in 95 Prozent der Fälle mit Hilfe der GFR gefunden. Zusätzlich erhalten aber etwa weitere 12 Prozent die Diagnose, obwohl sie gar nicht an einer chronischen Nierenerkrankung leiden. Man spricht von falsch positiven Ergebnissen.

Noch genauer ist die Bestimmung des Albumin-Kreatinin Quotienten im Harn. Mit Hilfe dieses Werts wird eine chronische Nierenerkrankung bei 97 Prozent der Betroffenen richtig erkannt. Der Anteil der falsch positiven Ergebnisse liegt im Falle des Albumin-Kreatinin Quotienten bei 6 Prozent.

Ein Test mittels Harnstreifen erkennt die Erkrankung nur bei etwa 70 Prozent der Betroffenen. Falsch positive Ergebnisse treten bei 42 von 100 Personen auf. In sehr vielen Fällen handelt es sich also um falschen Alarm.  Der Harnstreifen eignet sich daher nicht als Früherkennungstest.

Wie gut wirken Medikamente, um Komplikationen zu verhindern? 

Die Behandlung der Ursachen wie Bluthochdruck oder Diabetes soll das Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung verhindern oder zumindest verlangsamen. Personen mit Risikofaktoren wie Diabetes und Bluthochdruck entwickeln im selben Zeitraum seltener eine Niereninsuffizienz im Endstadium, wenn sie mit ACE-Hemmern behandelt werden (Medikamente, die das Angiotensin Converting Enzyme blockieren). Eine Zusammenfassung  von sieben Studien zeigt, dass ACE-Hemmer gegen hohen Blutdruck das Fortschreiten der Krankheit positiv beeinflussen können. An der Studie haben insgesamt 7.490 Patientinnen und Patienten teilgenommen, bei denen Eiweiß im Harn nachweisbar war. In der Gruppe, die ACE-Hemmer zur Blutdrucksenkung erhielt, benötigte von 100 Personen eine Person weniger eine Dialyse-Behandlung als in der Placebo-Gruppe. Die Studien dauerten ein bis fünf Jahre.

Eine weitere Studie mit 1.956 Patientinnen und Patienten zeigte: 4,5 Jahre nach Beginn der Studien hatten die, die einen ACE-Hemmer einnahmen, ein um etwa 5 Prozent geringeres Risiko zu versterben als die Placebo-Gruppe (15,7 Prozent im Vergleich zu 20,3 Prozent).

Auch AT-II-Blocker – eine weitere Gruppe blutdrucksenkender Mittel – können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Das zeigte eine Zusammenfassung  von drei Studien. Insgesamt nahmen 4.652 Patientinnen und Patientenmit Diabetes, Bluthochdruck und einer Erkrankung der Herzkranzarterien daran teil. Durch AT-II-Blocker erlitten von 100 Personen um 3 Personen weniger ein Nierenversagen (10 von 100 im Vergleich zu 13 von 100 bei Placebo).

Auch andere Medikamente, die gegen Blutdruck und Diabetes eingesetzt werden, konnten in Studien den Verlauf einer Nierenerkrankung positiv beeinflussen, z. B. sogenannte Beta-Blocker, SGLT2-Hemmer und GLP1-Analoga.            

Eine Früherkennungsuntersuchung kann eine chronische Nierenerkrankung frühzeitig finden. Sie ist aber nur sinnvoll, wenn das persönliche Risiko für Nierenerkrankungen erhöht ist. Für Personen ohne erhöhtes Risiko bringt es keine Vorteile, vorsorglich die Nieren zu untersuchen.

Quellen:

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