Stand: August 2020
Zu viele Kalorien und zu wenig Bewegung können zu Übergewicht und Typ-
2-Diabetes führen. Die Körperzellen reagieren dann nicht mehr auf das Hormon Insulin, das den Blutzucker reguliert. Der Blutzucker bleibt dadurch dauerhaft erhöht. Und das hat Folgen: Menschen mit Diabetes haben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen und Nervenschäden. Das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, steigt unter anderem durch Übergewicht, Bewegungsmangel oder wenn auch nahe Verwandte Diabetes haben.
Auch Frauen, deren Blutzucker während der Schwangerschaft zu hoch ist, erkranken später häufiger an Typ-2-Diabetes. Früherkennungsuntersuchungen zielen darauf ab, Typ-2-Diabetes frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Studien konnten den Nutzen von Früherkennungsuntersuchungen bisher aber nicht belegen. Nur wenn das Risiko für Diabetes erhöht ist, ist eine Früherkennungsuntersuchung empfehlenswert. Bei Personen, deren Risiko für Typ-2-Diabetes nicht erhöht ist, ist eine Früherkennungsuntersuchung nicht sinnvoll. Sie erkranken seltener an Typ-2-Diabetes und sind im Durchschnitt allgemein gesünder als Personen mit Risikofaktoren. Alle Menschen auf Typ-2-Diabetes zu untersuchen, könnte zu unnötigen Behandlungen mit Medikamenten führen, die nicht nützen oder sogar schaden.
Ausführliche Information einblenden
Diabetes oder Zuckerkrankheit – was ist das?
Ist der Blutzuckerspiegel dauerhaft zu hoch, dann ist jemand umgangssprachlich „zuckerkrank“. In der Medizin spricht man von Diabetes mellitus. Den Namen verdanken wir den alten Griechen, die bemerkten, dass der Harn (auf Griechisch diabetes) von Menschen, die an „Zucker leiden“, süß wie Honig (auf Griechisch mellitus) schmeckt. Der überschüssige Zucker gelangt vom Blut in den Harn und macht ihn süß. Warum das Blut so viel Zucker enthält? Weil er nicht dort hingelangt, wo er hin soll: in die Körperzellen.
Süßes, aber auch Stärkehaltiges wie Brot, Nudeln oder Kartoffeln, werden im Verdauungstrakt zu Zucker aufgespalten. Vom Darm wandert der Zucker dann ins Blut und dient dem Körper als schneller Energielieferant. Das Hormon Insulin, das in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird, sorgt normalerweise dafür, dass der Zucker aus dem Blut in die Zellen des Körpers aufgenommen wird. Insulin ist sozusagen der Schlüssel, der dem Zucker den Weg in die Zellen öffnet. Dort angekommen, wird Zucker zu Energie umgewandelt oder für später gespeichert.
Beim Diabetes unterscheidet man zwischen Typ 1 und Typ 2. Die gesundheitlichen Folgen sind bei beiden Formen dieselben. Unterschiedlich sind jedoch deren Ursachen.
Typ-1-Diabetes entsteht, wenn die Bauchspeicheldrüse zu wenig Insulin produziert. Diese Art von Diabetes entsteht oft schon in jungen Jahren. Grund dafür ist eine Schädigung der Bauchspeicheldrüse durch eine Autoimmunreaktion. Dabei werden die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse vom eigenen Immunsystem angegriffen und zerstört. Dadurch kann der Körper nicht mehr genug Insulin produzieren.
Beim Typ-2-Diabetes wäre eigentlich genug Insulin vorhanden, doch es wirkt schwächer. Die Körperzellen reagieren nicht mehr wie gewohnt auf Insulin, weil sie weniger empfindlich geworden sind. Das kann passieren, wenn zu lange zu viel Zucker im Blut und das Insulin ständig im Einsatz war. Man könnte auch sagen, der Schlüssel wurde zu oft benutzt und ist abgenutzt, sodass er nicht mehr funktioniert.
Die Bauchspeicheldrüse beginnt deshalb immer mehr Insulin zu produzieren, um den Blutzucker zu senken. Das funktioniert so lange, bis die Bauchspeicheldrüse müde wird, weil sie über längere Zeit Mehrarbeit verrichten musste. Wenn die Bauchspeicheldrüse nicht mehr genug Insulin produzieren kann, um den Zucker im Blut auf einem normalen Niveau zu halten, entsteht Typ-2-Diabetes.
Diese Form des Diabetes ist viel häufiger: In 90 von 100 Fällen haben wir es mit Typ-2-Diabetes zu tun. Zu den Ursachen zählen kohlehydratreiche Ernährung (Zucker, Stärke), Übergewicht und Bewegungsmangel. Selten können auch schlanke Menschen von Typ-2-Diabetes betroffen sein.
Höheres Risiko für Typ-2-Diabetes
War es wieder einmal zu viel des Guten? Häufig überessen wir uns oder greifen zu kalorienhaltigen Speisen und Getränken mit viel Zucker. Gepaart mit wenig Bewegung, begünstigen zu viele Kalorien die Entwicklung von Übergewicht und Typ-2-Diabetes. Laut der Österreichischen Diabetes-Gesellschaft haben Personen mit einem Body-Mass-Index von 25 kg/m2 oder mehr ein höheres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Menschen, die nahe Verwandte mit Typ-2-Diabetes haben, entwickeln häufiger selbst die Erkrankung. Auch Frauen, deren Blutzucker während der Schwangerschaft zu hoch ist (Schwangerschaftsdiabetes), haben später ein höheres Risiko für einen Typ-2-Diabetes. Wichtig ist auch die ethnische Zugehörigkeit: Personen asiatischer, afrikanischer oder lateinamerikanischer Herkunft sind häufiger von Typ-2-Diabetes betroffen.
Zucker im Blut – wie süß darf es sein?
Um festzustellen, ob Sie an Diabetes leiden, ordnet Ihre Ärztin oder Ihr Arzt bestimmte Laborwerte an. Einer dieser Werte ist der Nüchtern-Blutzucker: Das ist die Zuckermenge im Blut, die morgens noch vor der ersten Mahlzeit gemessen werden kann. Der Nüchtern-Blutzucker sollte bei gesunden Menschen unter 100 mg/dl (Milligramm pro Deziliter) liegen. Liegt der Nüchtern-Blutzucker bei 126 mg/dl oder höher, spricht man von Diabetes.
Nach dem Essen steigt der Blutzucker kurzfristig an, das ist ganz normal. Wichtig ist, wie rasch der Blutzucker nach der Mahlzeit wieder absinkt. Das überprüft der orale Glukosetoleranztest oder Zuckerbelastungstest. Bei Gesunden sollte der Blutzucker zwei Stunden nach Aufnahme von 75 Gramm reinem Zucker (Glukose) auf weniger als 140 mg/dl absinken. Bei Personen mit Diabetes liegt der Blutzucker-Spiegel auch zwei Stunden nach der Zuckeraufnahme bei 200 mg/dl oder mehr.
Ein weiterer wichtiger Test ist die Bestimmung des HbA1c-Werts. Dieser Wert zeigt nicht kurzfristige Schwankungen an, sondern gibt Hinweise darauf, wie hoch der Blutzucker-Spiegel langfristig ist. Der HbA1c-Wert liegt bei Gesunden unter 39 mmol/mol (oder auch 5,7 Prozent), bei Personen mit Diabetes bei 48 mmol/mol (oder 6,5 Prozent) oder mehr.
Nicht immer liefern diese Tests ein vollkommen eindeutiges Ergebnis. Es gibt auch noch ein Zwischenstadium, den sogenannten Prädiabetes, also „Vor-Diabetes“. Beim Prädiabetes liegen der Nüchtern-Blutzucker, der Glukosetoleranztest und der HbA1c-Wert zwar nicht mehr im Normbereich, die Abweichungen sind aber nicht groß genug, um schon von Diabetes zu sprechen. In diesem Stadium ist keine Behandlung mit Medikamenten notwendig. Körperliches Training und eine Umstellung der Ernährung reichen oftmals aus.
Die Folgen von Diabetes mellitus
Diabetes kann lange unentdeckt bleiben. Zu Beginn kann es sein, dass die Krankheit nur leichte oder gar keine Beschwerden verursacht. Mögliche Beschwerden sind Erschöpfung, Gewichtsverlust, vermehrter Harndrang und größerer Durst als üblich.
Wenn der Blutzucker über längere Zeit hinweg erhöht ist, schädigt das die Blutgefäße und die Nerven. Diese Schäden können bei 36 von 100 Personen mit Typ-2-Diabetes zu einer Folgeerkrankung führen. Zu den häufigsten Folgeerkrankungen zählen eine Schädigung der Nieren (bei etwa 13 von 100 Personen mit Typ-2-Diabetes), Herzinfarkte (bei 11 von 100) und Störungen des Nervensystems (10 von 100). Aber nicht nur Diabetes alleine erhöht das Risiko für diese Erkrankungen. Personen mit Diabetes haben häufig zusätzlich auch Bluthochdruck und erhöhtes Cholesterin. Auch durch diese sogenannten Begleiterkrankungen steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Keine Früherkennungsuntersuchung ohne Risikofaktoren
Ob es Vorteile bringt, im Zuge einer Früherkennungsuntersuchung alle Menschen auf Typ-2-Diabetes zu testen, ist unklar. Studien mit einer Dauer von zehn Jahren zeigen, dass Menschen, die an einer Untersuchung zur Früherkennung von Typ-2-Diabetes teilnahmen, ebenso lange lebten wie Teilnehmende ohne Früherkennungsuntersuchung.
Hinzu kommt, dass Typ-2-Diabetes bei Personen ohne erhöhtes Risiko (z. B. Übergewicht oder Diabetes in der Familie) selten ist. Diese Personen sind im Durchschnitt allgemein gesünder und haben ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Daher wird bei Personen ohne erhöhtes Risiko kein Blutzucker-Test empfohlen.
Mehr Bewegung kann manchmal schon ausreichen
Liegt ein Typ-2-Diabetes vor, gibt es Medikamente, die den Blutzuckerspiegel wirksam senken können. Durch die Behandlung sinkt auch die Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und das Risiko, frühzeitig zu versterben. Auch eine Änderung der Ernährungsweise und regelmäßiges Ausdauer- und Muskeltraining senken den Blutzucker. Manchmal kann eine Lebensstiländerung schon reichen, manchmal ist eine Kombination mit Medikamenten notwendig. Besonders bei Personen mit Prädiabetes kann eine Umstellung der Ernährung und Bewegung einen Typ-2-Diabetes verhindern oder verzögern
Gut zu wissen:
Im Jahr 2017 waren weltweit etwa 6 von 100 Menschen von einem Typ-2-Diabetes betroffen. Das entspricht etwa 462 Millionen Menschen. Für Österreich gibt es keine genauen Daten. Laut Schätzungen haben hierzulande etwa 5 bis 7 von 100 Menschen einen Typ-2-Diabetes.
Nutzen von Früherkennungsuntersuchung unklar
An zwei großen Studien nahmen insgesamt 24.162 Personen zwischen 51 und 58 Jahren teil, die fast alle ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes hatten. Die Teilnehmenden wurden entweder einer flächendeckenden Früherkennungsuntersuchung oder einer Kontrollgruppe ohne Früherkennungsuntersuchung zugeteilt. Anschließend wurden beide Gruppen zehn Jahre lang beobachtet.
Das Ergebnis: Innerhalb von zehn Jahren verstarben in beiden Gruppen etwa gleich viele Personen. Einen frühzeitigen Tod schien die Diabetes-Früherkennung also nicht verhindern zu können.
Fazit:
Quellen:
Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Fachgesellschaften AdWM. Nationale VersorgungsLeitlinie: Therapie des Typ-2-Diabetes; Langfassung; Version 4. 2014 Available from: https://www.leitlinien.de/mdb/downloads/nvl/diabetes-mellitus/dm-therapie-1aufl-vers4-lang.pdf
Graf U, Keller G. Leichter leben mit Typ-2-Diabetes: Optimale Blutzuckereinstellung mit der neuen Vitalkost. Stuttgart: TRIAS; 2012
American Diabetes Association. 2. Classification and Diagnosis of Diabetes: Standards of Medical Care in Diabetes-2019. Diabetes Care; 2019; 42
Kasper D, Fauci A, Hauser S, Longo D, Jameson J, Loscalzo J. Harrison`s principles of internal medicine. New York: McGraw-Hill; 2015
American Diabetes Association. 10. Cardiovascular Disease and Risk Management: Standards of Medical Care in Diabetes-2019. Diabetes Care. 2019; 42: S103-S23
American Diabetes Association. 11. Microvascular Complications and Foot Care: Standards of Medical Care in Diabetes—2019. Diabetes Care. 2019; 42: S124-S38
Klimont J, Baldaszti E. Österreichische Gesundheitsbefragung 2014. Hauptergebnisse des Austrian Health Interview Survey (ATHIS) und methodische Dokumentation 2015 Available from: https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=542
Khan M, Hashim M, King J, Govender R, Mustafa H, Kaabi J. Epidemiology of Type 2 Diabetes—Global Burden of Disease and Forecasted Trends. Journal of Epidemiology and Global Health. 2020; 10: 107-11
Schmutterer I, Delcour J, Griebler R, Hrsg. Österreichischer Diabetesbericht 2017. Wien: Bundesministerium für Gesundheit und Frauen; 2017 https://goeg.at/OE_Diabetesbericht
Selph S et al. Screening for Type 2 Diabetes Mellitus: A Systematic Review for the US Preventive Services Task Force. Ann Intern Med. 2015; 162: 765-776. doi:10.7326/M14-2221
Siu Al et al. Screening for Abnormal Blood Glucose and Type 2 Diabetes Mellitus: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. Ann Intern Med. 2015; 162: 765-776. doi:10.7326/M14-2221
Österreichische Diabetes-Gesellschaft. Diabetes mellitus – Anleitungen für die Praxis. Wien Klin Wochenschr (2019) 131 [Suppl 1]: S1–S246
American Diabetes Association. Standards of Medical Care in Diabetes—2020. Diabetes Care January 2020 Volume 43, Supplement 1
Österreichische Bewegungsempfehlungen, Band Nr. 17 aus der Reihe WISSEN, Fonds Gesundes Österreich, https://fgoe.org/sites/fgoe.org/files/2020-06/WB17_bewegungsempfehlungen_bfrei.pdf